Was ist Kontext? Teil II
Wenngleich sich jedes S in L aus K entwickelt hat, scheint S gewisse Eigenschaften zu haben, die es ihr erlauben, sich in einem beliebigen Kt auszudrücken. Kt ist nicht in K impliziert, sondern auf gewisse Weise von den Eigenschaften von S abhängig (und vice versa), die über K hinausreichen. Welches sind diese Eigenschaften?
I.Generalisierung: Im Spracherwerb lernt das Kind, das gleiche Wort auf verschiedene Objekte in der Welt zu beziehen. Diese Fähigkeit verfeinert sich im Laufe der ersten Jahre1 und erreicht schlussendlich eine gewisse Stabilität. Wir sind dann fähig, das selbe Wort entweder auf ein unspezifiziertes Exemplar einer Spezies/Kategorie/Klasse („ich hätte so gerne eine Katze“), auf eine Spezies im Ganzen („ich mag keine Katzen“) oder auf ein bestimmtes Exemplar einer Spezies anzuwenden („meine Katze hat Hunger“). Psychologisch bedeutet dies, dass wir gelernt haben, vom Einzelnen auf das Allgemeine zu abstrahieren.
II.Reflexivität: Sprache kann sich auf Sprache beziehen. „Das erste Wort in diesem Satz hat drei Buchstaben.“ „ 'Das erste Wort in diesem Satz hat vier Buchstaben', ist eine Lüge.“ Der Wahrheitsgehalt tautologischer und kontradiktorischer Aussagen ist feststellbar einzig durch Überprüfung der logischen Struktur der verwendeten S.
III.Übersetzbarkeit: Jede beliebige Aussage p kann von S nach S' übersetzt werden oder durch S' inhaltlich wiedergegeben werden:
„His cat is sleeping.“ - „Seine Katze schläft.“
„Easy come, easy go.“ - „Wie gewonnen, so zerronnen.“
Wenngleich eine Absolutheit der Übersetzung nicht garantiert werden kann, so ist sie doch ein extrem effizientes konventionelles Mittel der Kontextangleichung, ohne welches der Transfer vielen Inhaltes überhaupt nicht zu bewerkstelligen wäre.
IV.Hypothetizität: Nur durch Sprache können wir uns auf Ereignisse beziehen, die nicht stattgefunden haben, oder Aussagen über Objekte treffen, die nicht existieren. Der Kontext ist immer faktisch; auch wenn er verändert und angeglichen werden kann, so ist er doch in jedem Moment für die sich in im befindliche Person eine Tatsache der Welt. Es ist unmöglich, ohne Sprache zu behaupten, dass Einhörner, sofern sie existieren, unsichtbar und rosa sein müssen. Des Weiteren ist jede Art von sinnhafter Verknüpfung (Kausalität, Implikation, Konditionale, etc.) nur auf sprachlicher Basis mitteilbar.
Diese Eigenschaften (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), ermöglichen es, eine große Varianz an Kt zu kreieren, in denen die Vermittlung sprachlichen Inhalts bestätigtermaßen erfolgreich verläuft. Man kann mit guten Gründen annehmen, dass durch Sprache ein Maximum an Quantität und Qualität der Vermittlung von Inhalt erreicht werden kann. Es gibt Inhalte, die ohne Sprache nicht zugänglich sind, wie wir gesehen haben, aber keine Inhalte, die vermittelt werden ohne in Sprache ausgedrückt werden zu können. Alle geistigen Inhalte, die überhaupt mitgeteilt werden können (ich verweise hier auf die Qualia-Problematik), lassen sich auch sprachlich formulieren.
Aus dem Bisherigen können wir schlussfolgern: Die Sprache erschließt einen weitaus größeren logischen Raum als die Tatsachen der Welt selbst, die unseren Kontext bilden.
Fußnote 2:
In einem gewissen Alter sind Kinder beispielsweise fähig, die Bezeichnung “Katze” auf alle Katzen anzuwenden, hingegen nicht auf Hunde. Allerdings zählen sie weibliche Löwen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch zu dieser Kategorie.
theresa marx am 26. Oktober 10
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